Im Prater

Lockdown
im Vergnügungspark






Die Figuren an den Attraktionen starren stumm auf ihren leeren Park


Eklektischer typografischer Mix aus sieben Jahrzehnten
Die Attraktionen des Vergnügungsparkes werden von Familiendynastien betrieben, die teilweise schon seit über 150 Jahren im Prater verwurzelt sind. Die Besitzverhältnisse sind nicht einfach zu durchblicken (siehe die Addendum Recherche „Wem gehört der Prater“). Lose im Verein der Praterunternehmer organisiert, agieren sie autonom und weisungsfrei. Das erklärt vielleicht, warum sich der Prater als ein Vergnügungspark der unterschiedlichen Geschwindigkeiten etablieren konnte. Während der Presse alljährlich die höchsten, schnellsten und riskantesten Fahrwerke präsentiert werden, halten sich in den Nischen hartnäckig jahrzehntealte, beschauliche Attraktionen. So diente der bis heute unveränderte Mecky Express bereits 1973 als Kulisse für das Video zu André Hellers „Schnucki, ach Schnucki“.
Damit einher gehen typografische Versatzstücke, die an die 1950er Jahre erinneren, als der Prater nach seiner Zerstörung in den letzten Kriegswochen wiederaufgebaut wurde. Besonders die Attraktionen für die Kleinsten scheinen keine Eile bei der Anpassung an moderne Zeiten zu haben: Da zieren Rennautos die Namen berühmter Formel-1 Piloten, die bereits in den 1980er Jahren ihre Karrieren beendeten; „getankt“ wird an der Tankstelle eines Brands, der Ende des letzten Jahrhunderts von der Bildfläche verschwand.



Der Vergnügungspark als ein Ort steter Veränderung
Prater-Attraktionen der anderen Art, 1983, Foto: Fortepan/Nagy Guyla
Die Achziger: Prater-Strizzis zwischen Autodrom, Spielhalle und Peepshow
Diese Parallelwelt wirkte wie ein Magnet auf Gestrauchelte und Ausreisser aus ganz Österreich, Jugendbanden fanden im Prater einen idealen Treffpunkt. Bis weit in die 1990er Jahre waren Teile des Praters fest in der Hand „ausländischer“ Banden wie den Red Brothers. Durch Kriminalität, Jugendbanden und dem agressiven Verhalten der Keiler vieler Schaubuden verlor der Prater für Familien zunehmend an Attraktivität.
An diese Zeiten erinnern heute noch die zahlreichen Gerätschaften zum Kräftemessen, einer Pratertradition, die durch die Figur des Watschenmann Berühmtheit erlangte. Während Mr. Muscle ein (unpassendes) Facelift des Displays erfuhr, sind die Automaten der Firma Zamperla nahezu unverändert im Einsatz. Das Modell unten findet man übrigens auch im nordkoreanischen Kaeson Youth Park.






Nervenkitzel in der Geisterbahn



Luftaufnahme: Ralf Roletschek 2013
Eine Fahrt mit der ältesten Hochschaubahn der Welt
Seit 1971 befindet sich die Hochschaubahn in Familienbesitz, bis heute ist der nostalgische Klassiker unter den Praterattraktionen im Originalzustand. Es handelt sich zur Gänze um eine Konstruktion aus Holz, ein zehn Meter hohen Kettenlift bringt die Züge auf die Strecke. Die führt durch ein künstliches Felsmassiv, das den höchsten Berg Österreichs, den Großglockner, darstellen soll, vorbei an Dörfern und Flüssen sowie durch etliche Tunnel.
Die beiden Züge mit je zwei Waggons bieten Platz für jeweils 14 Personen und werden von sogenannten Bremsern begleitet. Sie sollen für die zusätzliche Sicherheit der jährlich rund 100.000 Passagiere sorgen. Wer Nervenkitzel sucht, ist hier falsch am Platz – wirklich gefährlich wird die Fahrt mit der Hochschaubahn nie. Es ist eher dieser kurzer Blick zurück auf die eigene Kindheit, der den besonderen Reiz einer Fahrt mit der Zwergerlbahn ausmacht.
