Chinatown, Bangkok 13°44'33.8"N 100°30'25.2"E
Chinese New Year
Chinatown ist an sich schon eine visuelle Herausforderung, doch um den Jahreswechsel wird das Chaos aus Chinesischen, Thai und Englischen Schriften noch um einen weiteren Layer ergänzt. Das Chinesische Neujahr wirft seinen rot-goldenen Schatten voraus.
Am 25. Jänner 2020 feiert mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung den Beginn des Jahres der Ratte. Auch in Chinatown laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Es ist die Zeit der Kalligrafen, Dekorhändler, des Hell-Money und der Chanel-Taschen aus Papier.
Puppenartige Kinderfiguren stehen für gesunde Nachkommen und Familienglück
Orgien in Rot und Gold
Lampignons, Tüten, Kleidungsstücke, Papierdekorationen: Rot ist allgegenwärtig während des chinesischen Neujahrfests, die Farbe symbolisiert Glück und Freude. Auch Geldgeschenke werden in roten Umschlägen übergeben, eine alte chinesische Tradition, die in Thailand ebenso verbreitet ist. Vor einigen Jahren führte der Messenger-Dienst WeChat sogar “digital red envelopes” für den virtuellen Geldtransfer ein.
Gelb gilt den Chinesen als die prestigeträchtigste Farbe. Im kaiserlichen China war Gelb dem Kaiser vorbehalten, schmückte Paläste, Altäre und Tempel. Heute hat Gelb ein Imageproblem: Es wird zunehmend mit Prostitution und Pornographie in Verbindung gebracht. Pornographische Publikationen werden als „Gelbe Filme oder Heftchen“ bezeichnet, der Prostitution angeklagte Frauen in gelbe Kleidung gesteckt und öffentlich vorgeführt.
Hochsaison für fliegende Kalligrafen
Sie bieten Ihre Dienste direkt am Straßenrand an und zeichnen für kleines Geld Spruchbänder, die symmetrisch an den Eingangstüren der Wohnungen angebracht werden. Diese poetischen Bänder haben eine über tausend Jahre alte Tradition.
Die Anzahl der Wörter auf den beiden Bannern sollte immer gleich, Format und Rhythmus entweder ident oder komplementär sein. Manche Schreiber versuchen sogar, für jedes Wort eine Alliteration oder dieselben Radikalen zu verwenden.
Hell Money
Das Verbrennen von Papier gehört seit Jahrtausenden zur traditionellen chinesischen Ahnenverehrung. Typisches Joss Paper war ein gelbes oder weißes quadratisches Stück Papier, das teilweise mit Gold- oder Silberfarbe bestrichen wurde und oft orange oder rote Ergänzungen hatte. Dieses „Goldpapier“ wurde als Brandopfer zur Besänftigung von Geistern und Göttern dargebracht.
Aus dem Glauben, dass verstorbenene Vorfahren im Jenseits Schulden zu begleichen haben, entstand die Tradition des Verbrennens von Hell Money, künstlichen Geldscheinen mit absurd hohen Nominalen. Typisches Hell Money ist vom Design den Banknoten der Republik China nachempfunden, die Vorderseite zeigt meist den Jade-Kaiser Yu Di, der nach daoistischem Verständnis der „Herrscher des Himmels“ ist und die Signatur von Yánluó, dem „König der Hölle“. Auf der Rückseite sieht man eine Darstellung der „Hell-Bank“. Hell Money wird in dicken Bündeln verkauft und zum Neujahr in rauhen Massen verbrannt.
Annette An-Jen Liu’s Joss Paper Archive auf github.
Aus dem Glauben, dass verstorbenene Vorfahren im Jenseits Schulden zu begleichen haben, entstand die Tradition des Verbrennens von Hell Money, künstlichen Geldscheinen mit absurd hohen Nominalen. Typisches Hell Money ist vom Design den Banknoten der Republik China nachempfunden, die Vorderseite zeigt meist den Jade-Kaiser Yu Di, der nach daoistischem Verständnis der „Herrscher des Himmels“ ist und die Signatur von Yánluó, dem „König der Hölle“. Auf der Rückseite sieht man eine Darstellung der „Hell-Bank“. Hell Money wird in dicken Bündeln verkauft und zum Neujahr in rauhen Massen verbrannt.
Annette An-Jen Liu’s Joss Paper Archive auf github.
Mittlerweile treibt das Verbrennen von papierenen Gaben für die Ahnen bizarre Blüten. Waren es früher Sets mit Zigaretten, Zahnprothesen und anderen Gütern des täglichen Bedarfs, sind heute papierene Nachbauten westlicher Konsumgüter gefragt.
Von Chanel Taschen über Lacoste Hemden und Gucci Schuhe bis hin zu Sportwägen „Made in Germany“ – den Ahnen steht die gesamte Bandbreite angesagter Brands zur Verfügung. 2004 wollte man in China zumindest die extremsten Auswüchse des Kults unterbinden und verbot Viagra und Hostessen aus Papier.
Das exzessive Verbrennen der papierenen Opfergaben gerät zunehmenden in Kritik. Ärzte warnen vor kanzerogenen Stoffen, die in den Ascherückständen gefunden wurden. An den Feiertagen klagen viele Anwohner über Atembeschwerden, gereizte Schleimhäute und Bindehautprobleme. In Bangkok, ohnehin von hoher Feinstaubbelastung geplagt, wird daher der Ruf nach einem Verbot lauter.
Auch unter den Bewohnern Chinatowns findet langsam ein Umdenken statt. Viele finden, man müsse nicht nur auf die Ahnen, sondern auch auf die Bewohner des Diesseits Rücksicht nehmen und beschränken zumindest die Menge der verbrannter Gaben. Laut einem Artikel der Bangkok Post ging im vergangenem Jahr der Verkauf an Joss Papers um 20-30% zurück.
Gut möglich, dass die papierenen Gaben bald ganz aus dem Stadtbild Chinatowns verschwunden sind.
Gut möglich, dass die papierenen Gaben bald ganz aus dem Stadtbild Chinatowns verschwunden sind.